Seit Wochen darf ich mir nun schon die verschiedensten Theorien von meiner besten Freundin anhören, wann und wie ihr langjähriger Freund ihr wohl einen Heiratsantrag machen wird. Nach jedem abendlichen Restaurant-Besuch oder romantischen Spaziergang bekomme ich eine SMS mit einem anfangs traurigen und mittlerweile wütenden Smiley. Ich bin nun auch schon richtig ungeduldig und kann es kaum noch abwarten endlich mit der Hochzeitsplanung zu beginnen. Dass ich Trauzeugin werde, steht schon seit der siebten Klasse fest. Dieses Wochenende fahren die zwei Turteltäubchen in die Berge. Das wäre ja nun wirklich die perfekte Gelegenheit für einen Antrag. Und prompt bekomme ich den schon so lange ersehnten Anruf, dass die beiden verlobt sind. Nach zehn Jahren hat er es endlich geschafft. Ich bin richtig erleichtert und freue mich auf ein ganzes Jahr im Hochzeitsfieber. Noch am Telefon planen wir unser erstes Hochzeits-Komitee-Treffen.
Organisation ist alles
Der Termin steht. Genau elf Monate bleiben uns, um die perfekte Sommer-Traumhochzeit zu planen. Die nächste Zeit verbringen wir hauptsächlich damit, sämtliche Brautmodenläden zu durchforsten. Beim zehnten Brautladen reicht es mir. An jedem Kleid hat meine Freundin etwas auszusetzen. Mal wirkt ihre Hüfte zu breit, mal ihr Teint zu blass. Dabei sieht sie in fast jedem Outfit einfach super aus. Was macht man nun als Trauzeugin, um nicht die Nerven zu verlieren? Selbst Brautkleider anprobieren natürlich. Während die zukünftige Braut mit ihrem Sekt in der Hand fluchend durch den Laden rennt, habe ich ein echtes Traumkleid gefunden. Ein schneeweißer Traum im Prinzessinnen-Stil mit winzigen glitzernden Perlen bestickt. Ich erwische mich dabei, wie ich beginne, mich vorm Spiegel zu verbeugen und für den tosenden Applaus zu bedanken. Doch ein empörter Schrei reißt mich unsanft aus meinem Tagtraum. Dieses Kleid scheint ihr wohl zu gefallen. Sehr gut. Der wichtigste Punkt auf der To-Do-Liste ist also erledigt.
Die darauffolgenden Monate verbringen wir mit diversen Probe-Essen, Besichtigungen von potentiellen Hochzeits-Locations, Auswahl der Hochzeits-Deko sowie dem Basteln der Einladungen. Ich bin mittlerweile zu einer richtigen Hochzeitsexpertin geworden und spiele mit dem Gedanken, mich als Wedding-Plannerin selbstständig zu machen.
Die 3 goldenen Regeln für die Trauzeugin
1. Nerven bewahren
Bevor Sie eine Aversion gegen das Thema Hochzeit entwickeln, weil es zurzeit in Ihrer Freundschaft kein anderes Gesprächsthema mehr gibt und Sie einen Großteil ihrer Freizeit zur Verfügung stellen, halten Sie sich immer wieder folgendes vor Augen: Es handelt sich erstens um einen begrenzten Zeitraum und zweitens um den womöglich wichtigsten Tag im Leben Ihrer Freundin.
2. Freundin sein
Neben all dem Stress, der die Hochzeitsplanung mit sich bringt, braucht die Braut eine echte Freundin an ihrer Seite. Nehmen Sie die momentanen „Probleme“ Ihrer Freundin ernst, indem Sie zuhören, Verständnis aufbringen und sich selbst etwas zurücknehmen.
Ein kleiner Tipp für den Hochzeitstag: Bereiten Sie ein Notfall-Package mit Dingen, die der Braut in Krisensituationen helfen, vor, wie zum Beispiel: Schokolade, Nähzeug, Fleckenteufel oder auch Beruhigungstropfen (natürlich homöopathisch).
3. Die Zeit genießen
Auch wenn Sie gestresst sind, weil Sie viele Aufgaben zu bewältigen haben, sollten Sie trotzdem die Zeit genießen. Erfreuen Sie sich an den vielen schönen Dingen, die zu einer Hochzeit dazu gehören, wie den Blumen, der Deko oder dem tollen Essen. Aber vor allem: Feiern Sie am großen Tag, was das Zeug hält. Das haben Sie sich – genauso so wie das Brautpaar – wirklich verdient.
Die Königsdisziplin
Zwei Wochen vor der Hochzeit findet das lustigste aller Events statt: Der Junggesellinnenabschied. Ich habe mir ein paar Gemeinheiten für die zukünftige Braut überlegt. Nachdem sie gefühlte tausendmal erwähnt hat, dass sie keinen Bauchladen tragen will, bekommt sie natürlich einen Bauchladen der Extra-Klasse. Schließlich hat die Braut an diesem Tag nichts zu sagen. Zu zehnt überraschen wir die Ahnungslose in ihrer Wohnung mit einem Sektfrühstück. Noch hat sie keinen blassen Schimmer von dem, was auf sie zukommen wird. Nach einigen Flaschen Sekt präsentieren wir nun den Bauchladen – gefüllt mit Dingen, die niemand braucht. Doch damit nicht genug: Zu unserer Belustigung stecken wir sie noch in ein pinkfarbenes Hasenkostüm. Die Begeisterung hält sich, wie erwartet, in Grenzen, aber wir haben unseren Spaß. Da muss sie jetzt durch. Und los geht’s: Wir ziehen durch die Innenstadt und verkaufen tatsächlich einen unnützen Gegenstand nach dem andern. Unser absoluter Verkaufsschlager: Ein Leucht-Jojo für zehn Euro. Am Ende eines wirklich lustigen Tages haben wir eine Menge Geld verdient und können dieses nun schön auf den Kopf hauen.
Der große Tag
Endlich ist es so weit. Es ist der perfekte Tag: Sonnenschein und keine Wolke weit und breit. Es könnte nicht besser sein. Ich freue mich auf diesen ganz besonderen Tag. Erst als ich in meinem apfelgrünen Brautjungfernkleid, in dem ich schon fast lächerlich aussehe, vor dem Spiegel in meinem Hotelzimmer stehe, weicht die Freude einem leichten Gefühl von Aggression. Aber was soll’s, grün ist nun mal ihre Lieblingsfarbe. Ich beschließe, heute einfach nicht mehr in den Spiegel zu schauen und eile zum Zimmer meiner Freundin aus dem mir schon die Friseurin und die Visagistin entgegenkommen. Zum Glück ist sie zufrieden mit ihrem Styling. Der Eheschließung kann nun nichts mehr im Wege stehen.
Nach einer halben Stunde haben wir es dann geschafft, ihr das Brautkleid anzuziehen. Sie sieht einfach umwerfend aus. Nach dem Gang zum Traualtar ist mein Job als Trauzeugin fast erledigt. Alles läuft nach Plan und meine größte Angst – nämlich die, auf dem Weg zum Altar zu stolpern – ist glücklicherweise nicht wahr geworden. Der Augenblick nach dem Ja-Wort ist auch ein ganz besonderer für mich. Ich blicke meiner besten Freundin ins Gesicht und sehe die Freude und Zufriedenheit in ihren Augen. Allein für diesen Moment haben sich die ganze Mühe und Aufregung im letzten Jahr schon gelohnt.
Doch das Thema Hochzeit ist noch lange nicht abgehakt. Im nächsten Jahr planen wir meine Hochzeit und ich freue mich schon auf mein ganz persönliches Jahr voller Narrenfreiheit als zukünftige Braut. Dann heißt es für meine Trauzeugin: Nerven bewahren.
von »heiraten RheinMain« Redakteurin Tina Kemmer